Deutschland hat sich auf den Weg gemacht, eine „Nationale Finanzbildungsstrategie“ zu entwickeln. Menschen sollen mit ihren Finanzen gut und bewusst umgehen können. Hierzu braucht es Wissen und Handlungskompetenz. Der strategische Ansatz ist gut und richtig – deshalb beteiligt sich Hessen konstruktiv daran.
Die Strategie, das Finanzwissen konkret und signifikant zu steigern, ist dann erfolgreich, wenn sie über viele verschiedene Kanäle zu den Menschen gebracht wird. Und genau hier sind die Länder gefragt, die durch ihre vielfältigen Kontakte zu Menschen, Institutionen und Wirtschaft eine Schlüsselrolle spielen. Hessen will und wird hier Vorreiter und Brückenbauer sein. Denn Finanzkompetenz liegt nicht nur im individuellen Interesse – sie ist entscheidend für den gesellschaftlichen Zusammenhalt und den Wohlstand unserer Volkswirtschaft.
Zum Fundament des hessischen Engagements gehört eine im Auftrag des Landes durchgeführte, breit angelegte Umfrage des Frankfurter Leibniz-Instituts für Finanzmarktforschung SAFE: der Hessenmonitor. Dabei wurden knapp 500 junge Hessinnen und Hessen im Alter von 18 bis 35 Jahren befragt.
Die Ergebnisse zeigen: Für junge Erwachsene ist Geld vor allem ein Mittel, um die Zukunft durch Rücklagen oder Investitionen abzusichern. Häufig ist das Ziel, auch im Alter finanziell unabhängig zu sein. Sparen und Anlegen, insbesondere in Wertpapiere, spielen dabei eine zentrale Rolle. Die Aktienmarktteilnahme ist so hoch wie nie, allerdings investieren Männer immer noch fast doppelt so häufig wie Frauen.
73 Prozent der Befragten geben an, bisher in keinem Kurs etwas über den Umgang mit Geld gelernt zu haben. Mehr als die Hälfte der jungen Erwachsenen möchte mehr über Finanzthemen wie Altersvorsorge und Investitionen lernen. Viele informieren sich über das Internet, soziale Medien und Influencer. Auch Familie und Freunde sind wichtige Ratgeber. Dennoch fehlt oft die Orientierung, um die Qualität der Informationen richtig einschätzen zu können.
Die Befragten fühlen sich bei zentralen Finanzthemen überfordert. Fast ein Drittel berichtet von finanziellem Stress, manche können nicht mehr gut schlafen. Ein nicht unwesentlicher Teil der jungen Erwachsenen gibt zudem Geld aus, das sie nicht haben. Sie verschulden sich immer häufiger – begünstigt durch den leichten Zugang zu Konsumkrediten und digitalen Zahlungsmöglichkeiten.
Fazit des Hessenmonitors: Für junge Menschen sind die Themen Anlage und Vorsorge wichtig – vor allem mit Blick auf die eigene Zukunft. Die derzeitigen Angebote erreichen diese Zielgruppe aber nicht beziehungsweise schaffen es nicht, die notwendigen Kompetenzen zu vermitteln. Folge: Die jungen Menschen werden nicht hinreichend befähigt, ihre finanzielle Situation eigenständig und dauerhaft in den Griff zu bekommen. Dies gilt insbesondere für diejenigen, die in ihrem Umfeld wenig Unterstützung bei Finanzthemen erfahren.
Mit dem Wissen über diese Ergebnisse setzen wir in Hessen im beruflichen Umfeld an. Nach niederländischem Vorbild werden wir Kampagnen für konkrete Lebenssituationen erarbeiten und dabei weitere Erkenntnisse darüber sammeln, welche Instrumente sich für welche Problemstellungen am besten eignen.
Dazu haben wir bereits eine erste Feldstudie für das wichtige Thema der Rentenplanung durchgeführt. Mit der an der Frankfurter Goethe-Universität entwickelten Smartphone-App „Seasn“ erhalten Nutzerinnen und Nutzer spielerisch Durchblick bei den eigenen Finanzen. Reicht meine Rente? Was kann bis dahin alles passieren? Was kann ich jetzt tun? Im ersten Schritt wird ein persönlicher digitaler Finanzzwilling erstellt – entweder mit Hilfe von Beispielprofilen oder, indem eigene Daten in die App geladen werden. Mit dem Zwilling können dann vorkonfigurierte Lebensereignisse, Umfeldveränderungen und gängige Finanzlösungen erkundet werden, um schließlich den passenden Handlungsplan in die Realität umzusetzen. In der Feldstudie von SAFE mit der IHK Gießen-Friedberg wurde das Potential der App für die Vermittlung von Finanzkompetenzen im Kollegen‑, Bekannten- und Familienkreis getestet, der für viele junge Leute bereits heute wichtiger Anlaufpunkt für Finanzfragen ist. Ein zentrales Ergebnis: Wenn Auswahl und Vorbereitung der Beteiligten stimmen, dann bietet App-gestützte Kompetenzvermittlung im Bekanntenkreis große Chancen zur Verbreitung von Finanzwissen.
Dies sind die ersten Schritte der Finanzkompetenz „Made in Hessen“, bei der wir gemeinsam mit Arbeitgebern und anderen engagierten Akteuren neue und innovative Ansätze für bessere Finanzentscheidungen unserer Bürgerinnen und Bürger auf den Weg bringen.
Erschienen in: Frankfurter Allgemeine Zeitung, Ausgabe vom 12. Oktober 2024, Nr. 238, S.27, Frankfurter Allgemeine Zeitung GmbH, Frankfurt am Main.