Hessens Finanzminister Professor Dr. R. Alexander Lorz (Mitte) und die Präsidentin der Universität Kassel, Professorin Dr. Ute Clement (links), sowie der Leiter des Finanzamts Kassel, Jörg Schlemmer (rechts).

Hessisches Ministerium der Finanzen

Künstliche Intelligenz in der Hessischen Steuerverwaltung

Welche Rolle spielt Künstliche Intelligenz in der Hessischen Steuerverwaltung? Panama Papers, Paradise Papers und Pandora Papers – drei prominente Beispiele für Daten-Leaks, deren Daten in Kassel ausgewertet werden. Was Massendatenverarbeitung leisten kann, war Thema des Besuchs von Finanzminister Professor Dr. Lorz im Finanzamt Kassel und der Forschungsstelle Künstliche Intelligenz (FSKI).

Zitat Finanzminister Professor Dr. R. Alexander Lorz:

„Künstliche Intelligenz: Vor einigen Jahrzehnten klang der Begriff noch wie aus einem Zukunftsroman. Heute ist KI greifbare Realität in der Hessischen Steuerverwaltung. KI-Systeme übernehmen bereits jetzt Aufgaben, die einst ausschließlich dem menschlichen Intellekt vorbehalten waren. Von der Verarbeitung großer Datenmengen über die Sprachverarbeitung bis hin zur autonomen Entscheidungsfindung – Künstliche Intelligenz verändert die Art und Weise, wie wir leben und arbeiten, fundamental. Das ist kein Zufall, sondern das Ergebnis jahrzehntelanger Forschung, Innovation und Mut zur Veränderung.Dieses Potential auch zielgerichtet im Bereich der Verwaltung auszuschöpfen haben wir früh erkannt. Besonders in der Hessischen Steuerverwaltung, hier in Kassel mit der Forschungsstelle Künstliche Intelligenz, haben wir in den vergangenen Jahren große Fortschritte gemacht, indem wir KI zielgerichtet eingesetzt haben. Von dieser enormen Leistung habe ich mich heute persönlich überzeugt und finde es beachtlich, was hier vor Ort geleistet wird.“

Zitat Oberfinanzpräsidentin Konstanze Bepperling:

„Mit ihrem erklärten Ziel der Nutzbarmachung von KI basierten Anwendungen oder auch der Verbesserungen der Automationsunterstützung bei der Bekämpfung des Umsatzsteuerbetrugs sowie insbesondere verschiedener Aufgaben im Bereich von Massendatenauswertungen präsentiert die Forschungsstelle Künstliche Intelligenz ein breites Anwendungsspektrum. Ihre besondere Leistungsfähigkeit zeigt sich insbesondere daran, dass sie mittlerweile verstärkt auch in der Rolle eines technischen Dienstleisters für die zügige Bereitstellung von Softwarelösungen in verschiedenen Arbeitsbereichen in Erscheinung tritt. Durch die gezielte Nutzung moderner Technologien können so Prüfprozesse optimiert und die Qualität der Steuerverwaltung nachhaltig verbessert werden. Die Hessische Steuerverwaltung hat das Potential des Einsatzes von Künstlicher Intelligenz früh erkannt. Indem wir den Einsatz KI-gestützter Bearbeitung sukzessive weiter ausbauen werden, leisten wir einen wichtigen Beitrag, unserem gesetzlichen Auftrag auch in Zeiten zunehmender Digitalisierung gerecht zu werden.“

Zitat Jörg Schlemmer, Amtsleitung Finanzamt Kassel:

„Ich freue mich, dass wir bereits heute mit den ersten in der FSKI entwickelten Software-Lösungen von Kassel aus dazu beitragen können, die Steuerverwaltung noch besser aufzustellen. Und das nicht ausschließlich in Hessen, sondern sogar bundesweit. Auch für die spannenden Aufgaben der Zukunft sind wir bestmöglich gerüstet, denn gemeinsam mit der Universität Kassel als unserem Partner bieten wir unseren IT-Spezialisten von morgen eine optimale Ausbildung. Diese partnerschaftliche Zusammenarbeit zwischen dem Finanzamt und der Universität in Kassel geht noch über das Studium im Praxisverbund hinaus. Wie groß die Masse an Daten auch sei: Unterstützt durch unsere IT-Expertinnen und -Experten finden unsere Steuerfachkolleginnen und -kollegen jeden, der sich dahinter verstecken will.“

Zitat Universitätpräsidentin Kassel, Professorin Dr. Ute Clement:

„Wir freuen uns, dass wir den Finanzbehörden des Landes Hessen mit unserer Expertise helfen können – insbesondere, wenn es um die Verfolgung und Verhinderung von Steuerbetrug im großen Stil geht. Als landesfinanzierte Einrichtung haben wir ein elementares Interesse, dass dem Land keine Einnahmen entgehen. Die Uni Kassel bietet Informatik-Studiengänge auf höchstem Niveau an und hat durch die von der hessischen Steuerverwaltung mitfinanzierte Professur für Informationssicherheit ihr fachliches Angebot für alle Studierenden noch erweitert, was dem Fachbereich Elektrotechnik/Informatik insgesamt zugutekommt. Die Studierenden aus der Finanzverwaltung nehmen wir in der Regel als sehr motiviert wahr.“

Fragen und Antworten:

Die kontinuierliche Modernisierung der Hessischen Steuerverwaltung, die Optimierung von Arbeitsprozessen und ein noch zielgerichteterer Service für Bürgerinnen und Bürger sowie die Reduzierung von Bearbeitungszeiten sind Ziele, die die Hessische Steuerverwaltung mit der FSKI erreichen möchte. 

  • KI-Unterstützung in der Rechtsbehelfsbearbeitung

Seit dem 21. Mai 2024 wird KI im Rahmen der Rechtsbehelfsbearbeitung Grundsteuer eingesetzt. Rund 261.000 Einsprüche gegen die Bescheide über den Grundsteuermessbetrag, die sich gegen die Verfassungsmäßigkeit des Hessischen Grundsteuergesetzes richten, wurden kategorisiert und aufbereitet. Über 25.000 Einspruchsentscheidungen wurden bislang KI-gestützt durch die hessischen Finanzämter versandt.

  • Individuelle Grundsteuer-Hebesatzermittlung mit Hilfe von KI

Zuvor war die FSKI schon maßgeblich in die Grundsteuer-Hebesatzermittlung eingebunden. Dabei kamen bewährte klassische statistische Verfahren bis hin zu Methoden des maschinellen Lernens und der Künstlichen Intelligenz zum Einsatz, um für alle hessischen Kommunen eine individuelle Hebesatzempfehlung für die Grundsteuer A und B erteilen zu können. Um den Herausforderungen dieser Mammutaufgabe gerecht zu werden, wurde die fachliche Expertise des Instituts für Mathematik der Universität Kassel hinzugezogen. Ein Beispiel der gelebten Kooperation.

  • Verarbeitung von Massendaten

Zu den Erfolgen der FSKI gehört die Entwicklung einer Software, mit der erstmals seitens der Bundeszollverwaltung bereitgestellte Massendaten zu im Inland tätigen ausländischen Unternehmen und ihren Arbeitskräften strukturiert erfasst, aufbereitet und nach steuerlich relevanten Kriterien durchsuchbar gemacht wurden. Das Tool umfasst neben zahlreichen Features vielfältige Visualisierungsmöglichkeiten und Trackingfunktionen, die das Aufspüren bislang verborgener Steuerquellen ermöglichen.

  • Leaks wie Panama Papers, Paradise Papers oder Pandora Papers

Seit der Errichtung der FSKI im Jahr 2019 stellt die Leaks-Bearbeitung mit der Auswertung der Panama Papers, der Paradise Papers oder der zuletzt von Hessen erworbenen Pandora Papers nach steuerrelevanten Sachverhalten und potentiellen Steuerstraftaten, ein bedeutendes und sehr erfolgreiches Betätigungsfeld der FSKI dar. In Zusammenarbeit mit der in der Steuerfahndung Kassel beheimateten Ermittlungsgruppe (EG) „OLET“ leistet sie mit der Aufbereitung und Weitergabe der aufgespürten Informationen an die für die jeweiligen Einzelverfahren zuständigen Bundesländer und sogar in europäische Staaten seit Jahren einen entscheidenden Beitrag zur Bekämpfung der global angelegten Steuerhinterziehung. Ohne den Einsatz modernster KI-Technologien wären die riesigen Datenmengen nicht zu bewältigen.

Zeitgleich mit der Gründung der FSKI hat die Hessische Steuerverwaltung in Kooperation mit der Universität Kassel auch ein Studium im Praxisverbund im Fachbereich Informatik ins Leben gerufen. Dabei wird den Studierenden an der Universität Kassel das gesamte Spektrum der wissenschaftlichen Lehre vermittelt, während sie in den Praxisphasen in IT-Projekte und die Arbeitsabläufe der FSKI eingebunden werden. Der Bereich der IT-Forensik der Steuerfahndung bildet ebenfalls einen Schwerpunkt der Ausbildung im Finanzamt. Ziel der vielfältigen Maßnahmen ist die Gewinnung und langfristige Bindung von hochqualifiziertem Personal für die Hessische Steuerverwaltung. Mit der bedarfsgerechten Einstellung und der breitgefächerten Ausbildung im Verbund mit der Universität schreitet die Digitalisierungsoffensive in Hessen beispielgebend voran. Nicht nur, aber auch als Konsequenz herausgehobener Studienabschlüsse in den eigenen Reihen wird seit dem Wintersemester 2022/2023 – neben dem Bachelorstudium – die Möglichkeit der Förderung des Masterstudiengangs angeboten. Damit wird es auch in der Zukunft gelingen, die personelle Weiterentwicklung der FSKI auf hohem Niveau sicherzustellen.

Die Zusammenarbeit und der direkte Austausch mit der Universität Kassel bilden wertvolle Synergieeffekte: Durch diese einzigartige Kombination wurde die Möglichkeit geschaffen, hochqualifizierte Fachkräfte auszubilden, die sowohl akademisches Wissen als auch praktische Erfahrung in die Steuerverwaltung einbringen können.Dazu kommt, dass das Finanzamt Kassel seit vielen Jahren zentral mit der IT-geneigten Spezialaufgabe des Datenankaufs sowie der Leak-Bearbeitung betraut ist.

KI ist in der Hessischen Steuerverwaltung bereits ein fester Bestandteil. Wir wollen den bisherigen Erfolg der FSKI weiter ausbauen und weitere Projekte umsetzen. Deshalb bekommt die FSKI mehr Personal und ist seit dem 1. März 2024 als eigenes Sachgebiet innerhalb des Geschäftsbereichs - Digitale Transformation - im Finanzamt Kassel verortet.