Nach dem Wirtschaftsausschuss hat heute auch der Finanzausschuss des Bundesrats der Änderung des Börsengesetzes zugestimmt. „Der Informationsaustausch zwischen Börsen, Aufsichtsbehörden und Finanzbehörden soll zukünftig erleichtert werden, um Steuergestaltungen auf den Kapitalmärkten früher aufgreifen zu können. Mit unserem Gesetzentwurf ziehen wir so eine wichtige Lehre aus der Aufarbeitung der Cum-Ex-Geschäfte, die durch hohe rechtliche Hürden für einen Datenaustausch zwischen Börsen und Börsenaufsichtsbehörden einerseits sowie den Finanzbehörden andererseits erschwert wurde“, erklärten Hessens Finanzminister Michael Boddenberg und Wirtschaftsminister Tarek Al-Wazir heute gemeinsam in Wiesbaden. Der Zustimmung der Bundesratsausschüsse liegt eine Initiative des Hessischen Ministeriums für Wirtschaft, Energie, Verkehr und Wohnen zugrunde.
Die derzeitige Rechtslage beeinträchtigt insbesondere die Betriebsprüfungsstellen der Finanzämter bei der Aufarbeitung kapitalmarktbezogener Steuergestaltungen, da die Verschwiegenheitspflicht den Börsen im Besteuerungsverfahren regelmäßig jedwede Informationsweitergabe untersagt. Nur bei Vorliegen eines strafrechtlichen Anfangsverdachts, also im Steuerstrafverfahren, ist den Börsen die Informationsweitergabe an die Finanzämter gestattet.
Einen solchen Anfangsverdacht aber zu begründen, ohne genau diese börslichen Daten zu kennen, stellte in der Praxis – etwa bei der Aufarbeitung von Cum-Ex-Konstellationen – eine Schwierigkeit dar.
Dieses Dilemma wurde durch die vom Bundesfinanzministerium (ursprünglich im Schwarmfinanzierungsbegleitgesetz) angestoßene Änderung des §10 Börsengesetz im Fondsstandortgesetz nicht gelöst. Nach der dortigen Minimaländerung ist lediglich ein „zwingendes öffentliches Interesse“ an der Strafverfolgung nicht mehr erforderlich. Die Hürde des Anfangsverdachts ließ der Bund unberührt.
Hier setzt der hessische Entwurf an: Nach der vorgesehenen Neuregelung könnten die Informationsansprüche der Finanzbehörden nach der Abgabenordnung auch gegenüber den Börsen und deren Aufsichtsbehörden auch ohne Anfangsverdacht geltend gemacht werden. Dies ermöglicht eine effiziente fallbezogene Ermittlung kapitalmarktrechtlicher Steuergestaltungen und führt die Finanzämter aus der beschriebenen Sackgasse. Durch die Novelle werden zudem präventive Ansätze bei der Bekämpfung künftiger missbräuchlicher Steuergestaltungsmodelle gefördert.
Dazu erklärte Hessens Finanzminister Michael Boddenberg: „Ich begrüße die Entscheidung des Bundesratsfinanzausschusses, sich mit deutlicher Mehrheit Hessens Initiative zur Änderung des Börsengesetzes anzuschließen. Durch die rechtliche Aufarbeitung von Cum-Ex-Geschäften ist deutlich geworden, dass die derzeitige Regelung der Verschwiegenheitspflicht nicht mehr aktuellen Anforderungen entspricht. Die frühzeitige Aufklärung von missbräuchlichen Steuergestaltungen auf den Kapitalmärkten und die Prüfung eines möglichen steuerstrafrechtlichen Anfangsverdachts waren bisher massiv beeinträchtigt.“ Die Ermittlungsarbeit der Finanzbehörden war oftmals erheblich erschwert, da sie aufgrund des Börsengeheimnisses konkrete Daten nicht von den Börsen und Börsenaufsichtsbehörden der Länder erhalten konnten. „Der hessische Gesetzentwurf schafft Abhilfe: Der Reformvorschlag führt zu einer deutlichen Absenkung der Hürden für einen Informationszugriff von Finanzbehörden“, erklärte Boddenberg weiter.
Wirtschaftsminister Al-Wazir sagte: „Zwar bestand für die Börsen schon bisher die Möglichkeit, Handelsstrategien, die wie das als ,Cum-Ex‘ bekannte Modell nur der Steuerhinterziehung dienen, anhand des dortigen Transaktionsgeschehens aufzuarbeiten und relevante börsliche Daten an die BaFin für Zwecke der Überprüfung auf Marktmanipulation sowie an die Staatsanwaltschaften und Steuerfahnder in Steuerstrafverfahren zu liefern. In normalen Betriebs- und Steuerprüfungen konnten diese wichtigen börslichen Handelsdaten bisher jedoch nicht an die Finanzämter übermittelt werden. Gerade dies ist jedoch sehr wichtig, um deren Arbeit überhaupt erst vollständig zu ermöglichen und eventuell neue steuergetriebene Handelsmodelle aufzuspüren. Die Gesetzesinitiative soll daher als weiterer Mosaikstein die Arbeit der Finanzbehörden in Steuerprüfungen unterstützen, wenn die Börsen und auch die Börsenaufsichtsbehörden die betreffenden Informationen mit diesen Behörden künftig teilen können. Zum einen müssen wir im Interesse der ehrlichen Steuerzahlerinnen und Steuerzahler alles daransetzen, um eine konsequente Aufarbeitung und rechtliche Ahndung solch verwerflicher Tricks sicherzustellen. Zum anderen senden solche Handelsgeschäfte falsche Preissignale und verzerren damit den Markt, weil sie nicht auf Unternehmensbewertungen und Kurserwartungen beruhen. Ein ordnungsgemäß funktionierender Finanzmarkt ist aber unerlässlich für unsere gesamte Wirtschaft. Deshalb müssen wir alles dafür tun, um Möglichkeiten für Missbrauch zu erkennen und Steuerbetrug zu ahnden. Die Änderung des Börsengesetzes wird dazu einen wichtigen Beitrag leisten.“