Die Staatsanwaltschaft Fulda hat mitgeteilt, dass sie ihre Ermittlungen zu einem möglichen rassistischen Vorfall am Studienzentrum der Finanzverwaltung und Justiz in Rotenburg an der Fulda eingestellt hat. Sie war der Frage nachgegangen, ob bei einer von Studierenden veranstalteten Party im Studienzentrum im Januar zum Popsong „L’amour toujours“ rassistische Texte gesungen worden waren.
„Ich danke den Ermittlungsbehörden, dass sie dem Verdacht so gründlich nachgegangen sind. Mit dem Ende der Ermittlungen geht auch für viele Studierende und Beschäftigte eine belastende Zeit zu Ende. Nun steht laut den Ermittlerinnen und Ermittlern fest: Es kann nicht nachgewiesen werden, dass bei der Party rassistische Texte gesungen wurden“, sagte Hessens Finanzminister Professor Dr. R. Alexander Lorz. „Haben wir damit überreagiert, als wir etwa die Planungen für eine Anlaufstelle für Studierende beschleunigt und die Stelle bereits zum 19. Februar besetzt haben? Nein, denn wir sind in der Steuerverwaltung schon lange äußerst sensibel gegen Diskriminierung jedweder Art. Es ist gut und wichtig, dass auch wir weiterhin wachsam bleiben und unser Engagement für Vielfalt und gegen Diskriminierung immer wieder nachschärfen. Wir sind auch nicht blauäugig: Jetzt gab es erwiesenermaßen keine Hinweise auf einen rassistischen Vorfall. Aber wir sind nicht davor gefeit, dass so etwas auch bei uns passiert. Die Steuerverwaltung mit ihren 11.000 Beschäftigten ist ein Spiegel der Gesellschaft und in dieser Gesellschaft nehmen extreme Strömungen leider zu. Deshalb ruhen wir uns nicht auf diesem Ermittlungsergebnis aus, sondern führen all unsere Anstrengungen für eine demokratiefeste Verwaltung unvermindert und mit einem nochmals geschärften Blick fort. In der Hessischen Steuerverwaltung ist kein Platz für Rassismus!“
„Das Studienzentrum versteht sich als Bildungseinrichtung, in der Weltoffenheit gelebt wird und als einen Ort, an dem Menschen unabhängig von ihrer kulturellen und ethnischen Zugehörigkeit frei von Vorurteilen, Ausgrenzung und Diskriminierung studieren, lehren, arbeiten und auch ihre freie Zeit miteinander verbringen. Am Studienzentrum ist kein Platz für Menschen, die sich über andere stellen und in jedweder Weise andere ausgrenzen, diffamieren und herabwürdigen“, sagte der Direktor des Studienzentrums, Karl Jennemann. „Viele junge Menschen beginnen jährlich ihr Studium oder ihre Ausbildung in Rotenburg, woraus eine große Verantwortung erwächst, die demokratiefeste Verwaltung immer wieder zukunftsfest zu verankern. Rassismus, Antisemitismus und jegliche Formen von Diskriminierung sind nicht Bestandteil eines wertschätzenden Lern- und Arbeitsumfeldes und haben keinen Platz im Studienzentrum.“
Am 29. Januar 2024 erhielt die Leitung des Studienzentrums über Studierende Kenntnis vom Verdacht ausländerfeindlicher Äußerungen bei einer Party im Studienzentrum wenige Tage zuvor. Dabei sollen zu einem bekannten Popsong vereinzelt rassistische Texte gesungen worden sein. Die Studierenden, die den Verdacht gemeldet haben, waren selber nicht bei der Party dabei und berichteten vom Hörensagen. Das Studienzentrum hat daraufhin unverzüglich die zuständigen Polizeibehörden über den im Raum stehenden Verdacht informiert.
Das Studienzentrum hat sich intensiv mit dem Verdachtsfall beschäftigt und neben zahlreichen Gesprächen mit Studierenden in unterschiedlichen Formaten seit Bekanntwerden des Vorwurfs unter anderem auch hiermit reagiert:
Umgehende Einrichtung einer Beratungsstelle
Am Studienzentrum wurde umgehend eine Beratungsstelle mit zwei Ansprechpersonen eingerichtet. Die Anwärterinnen und Anwärter sowie Bedienstete des Studienzentrums erhalten in einem gemeinsamen Gespräch in der Beratungsstelle oder auf Wunsch auch außerhalb des Studienzentrums Unterstützung und Hilfe, bei Bedarf unter Hinzuziehung externer Dritter. Auch eine anonyme Kontaktaufnahme mit der Beratungsstelle ist möglich – sowohl über einen eingerichteten Briefkasten als auch über ein Online-Meldeformular. Eine niedrigschwellige Kontaktaufnahme mit der Beratungsstelle ist sichergestellt.
Sichtbare und hörbare Zeichen für Vielfalt und gegen Rassismus aus dem Studienzentrum
Zahlreiche Studierende haben im Innenhof des Studienzentrums im Februar mit einer Aktion ein sichtbares und zugleich hörbares Zeichen für Vielfalt gesetzt. Dabei wurde bewusst auf die Gemeinsamkeiten von Menschen hinsichtlich ihrer Identitätsmerkmale, Lebensstile und Arbeitsformen abgestellt. Auch die Bediensteten des Studienzentrums haben ein sichtbares Zeichen gesetzt. Sie veröffentlichten die Rotenburger Erklärung und machten darin erneut klar, dass das Studienzentrum eine weltoffene und tolerante Bildungseinrichtung ist.
Teilnahme des Studienzentrums an den Internationalen Wochen gegen Rassismus
Das Studienzentrum ist Teilnehmer an den Internationalen Wochen gegen Rassismus der Darmstädter Stiftung gegen Rassismus. Hierzu wurden drei Aktionen angemeldet, die allesamt von der Stiftung angenommen wurden und auf der Internetseite einsehbar sind:
- Workshop in Zusammenarbeit mit der Stiftung Adam von Trott zum Thema „Demokratische Werte und Handlungsspielräume in der Verwaltung“. Der ausgebuchte Workshop setzte sich mit der Frage auseinander „Was sind demokratische Werte?“, zudem mit den Themen „Stereotype und Vorurteile“ und „Zivilcourage in der Praxis“.
- Im Kino des Studienzentrums wurde der gesellschaftskritische Film „Contra“ gezeigt. Zuvor wurden Hoodies mit der Aufschrift „Wir sagen NEIN! zu Rassismus“ verkauft. Diese Aktion wurde durchgeführt von Anwärterinnen und Anwärtern sowie dem Freundeskreis der Hessischen Hochschule für Finanzen und Rechtspflege e. V. Nach wenigen Minuten waren die 100 Hoodies bereits ausverkauft.
- Ein weiteres, langwährendes Zeichen wurde im Beatkeller, dem Veranstaltungsort der Party, gesetzt: Eine Wand wurde dort durch Anwärterinnen und Anwärter kreativ mit dem Aufruf zu Toleranz, Demokratie und Vielfalt neu bemalt und gestaltet.